EXPERTENINTERVIEW EXPERTENTELEFON \"VERDAUUNGSBESCHWERDEN\" am 31.03.2011

Kräuter und pflanzliche Wirkstoffe halten die Verdauung in Schwung

Experteninterview mit Prof. Dr. Michael Geißler, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Allgemeine Innere Medizin an den Städtischen Kliniken in Esslingen a. N. und Dr. Andre Schumacher, niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in Düsseldorf zum Thema „Verdauungsbeschwerden“.

 
 

 

 

 

Unsere Verdauung ist ein komplexer Prozess. Wie läuft sie eigentlich konkret ab und welche Organe spielen dabei eine maßgebliche Rolle?

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  • Prof. Geißler: Die verschiedenen Verdauungsorgane sind sehr gut aufeinander abgestimmt und haben die Aufgabe, feste und flüssige Nahrung aufzunehmen, in ihre Bestandteile zu zerlegen und dem Organismus anschließend zur Verwertung zuzuführen. Gleichzeitig kommt dem Verdauungstrakt aber auch eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern zu. Die Verdauung beginnt bereits im Mund und geht dann über Speiseröhre, Magen, Dünndarm, wo Bauchspeicheldrüse, Leber und Gallenblase ebenfalls zusätzliche Funktionen innehaben, bis zum Dickdarm.

Warum kommt es zu Funktionsstörungen des Magen-Darm-Systems und wie äußern sich diese?

  • Prof. Geißler: Funktionsstörungen im Magen-/Darmbereich können vielfältige Ursachen haben. Neben psychischen Faktoren wie Stress spielen auch die Art der Ernährung (Zusammensetzung, Zubereitung), Übergewicht, Untergewicht sowie Infektionserkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Tumorerkrankungen, Stoffwechsel- und Hormonerkrankungen eine wichtige Rolle. Die Beschwerden sind vielfältig und reichen über Sodbrennen, Aufstoßen, Schmerzen, Blähungen, Durchfall, Verstopfung, Blutungen, Gewichtsverlust, Muskelkrämpfen bis hin zu Übelkeit und Erbrechen.

Welche Rolle kommt Leber und Galle beim Verdauungsprozess zu?

  • Prof. Geißler: Die Leber produziert den Gallensaft, welcher genauso wie die Säfte der Bauchspeicheldrüse wichtige Verdauungsenzyme enthält, die im Zwölffingerdarm aktiviert werden. Sie sind insbesondere für die Verdauung von Fetten und Eiweißen notwendig. Insofern können auch Erkrankungen der Leber, die mit Funktionsstörungen einhergehen, zu relevanten Verdauungsproblemen führen.

Woran erkennt man, dass die Leber nicht optimal arbeitet? Gibt es Risikogruppen?

  • Prof. Geißler: Die Leber hat eine sehr ausgeprägte Fähigkeit, sich auch nach schweren Schäden wieder zu regenerieren. Oft treten bei Erkrankungen der Leber Symptome und Beschwerden erst in einem Spätstadium der Krankheit auf. Klinische Zeichen wie zunehmende Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Muskelschwund, Gelbfärbung von Augen, Haut und Urin sowie Entfärbung des Stuhls können wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Lebererkrankung sein. Leberschäden können insbesondere durch Medikamente, Alkohol, Übergewicht, Stoffwechselstörungen sowie Infektionserkrankungen mit Viren entstehen.

Welche Rolle spielen psychische Belastungen für die Verdauung?

  • Prof. Geißler: Das Gehirn ist sehr eng über Nervenstränge mit dem Verdauungssystem vernetzt. Das ist der Grund dafür, warum zwischen unserer Psyche und unserem Verdauungssystem ein sehr enger Zusammenhang besteht. So kann Stress beim empfindlichen Menschen buchstäblich "auf den Magen" schlagen. Andere Menschen bekommen bei Angst oder Aufregung Durchfall. Die Erklärung liegt in der Ausschüttung von bestimmten Botenstoffen im Gehirn, welche die Funktion des Darms beeinflussen.

Gibt es geschlechterspezifische Unterschiede bei der Ausprägung von Magen-Darm-Problemen?

  • Prof. Geißler: In der Tat gibt es bei den unterschiedlichen Erkrankungen eine variable Verteilung zwischen Männern und Frauen. Dies gilt sowohl für entzündliche Erkrankungen des Darmes, für Tumorerkrankungen und psychosomatische Krankheiten. Generell kann man sagen, dass Frauen häufiger betroffen sind als Männer.

Verdauungsstörungen treten mit dem Alter häufiger auf - warum?

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  • Dr. Schumacher: Im Alter treten vermehrt Verdauungsstörungen auf, weil der physiologische Alterungsprozess auch den Magen-Darm-Trakt betrifft und infolgedessen manche Funktionen nicht mehr optimal erfüllt werden. Zudem macht sich bemerkbar, was jeder Einzelne seiner Verdauung im Laufe des Lebens zugemutet hat. Neben Fehlernährung spielt dabei auch die regelmäßige Einnahme von Medikamenten eine Rolle, die ja mit zunehmendem Alter oft steigt.

Kann man Leber und Galle durch bestimmte Verhaltensweisen (Ernährung, Flüssigkeitszufuhr, Sport, etc.) entlasten und so Beschwerden vorbeugen?

  • Dr. Schumacher: Wie für alle übrigen Verdauungsorgane ist auch für Leber und Galle eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung mit einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr optimal. Die Reduzierung von Übergewicht wirkt sich zudem positiv aus. Allgemeine sportliche Aktivitäten tragen zusätzlich zur Stimulation der Verdauung bei. Extremsport kann allerdings eher kontraproduktiv sein.

Lässt sich die Funktion der Verdauungsorgane durch bestimmte pflanzliche Arzneistoffe fördern?

  • Dr. Schumacher: Ja, weil die in pflanzlichen Arzneimitteln enthaltenen Natur- oder Bitterstoffe bestimmte Abschnitte der Verdauungskette durchaus positiv beeinflussen. So wirken Anis, Kümmel und Fenchel Blähungen entgegen, Rosmarin gilt als appetitanregend, Pfefferminz und Oregano fördern die Gallenaktivität. Ingwer, Kardamom, Muskat sowie Löwenzahn und Enzian regen die Magen- und Darmtätigkeit an.

Wie wirken Artischocke, Mariendistel, Kümmel, Wermutskraut und Co. auf die Verdauung? Wo liegen dabei die Unterschiede?

  • Dr. Schumacher: Die Unterschiede liegen in der Wirkungsweise. Artischocke fördert die Fettverdauung, unterstützt somit auch eine cholesterinbewusste Ernährung und regt die Leber-Galletätigkeit an. Mariendistel stärkt die Verdauungsfunktion der Leber und fördert die Regenerationsfähigkeit der Leberzellen, Kümmel wirkt entblähend, während Wermutskraut eine allgemein anregende Wirkung auf die Funktion der Verdauungsorgane hat.

Ist die Einnahme von Artischocke oder Mariendistelpräparaten grundsätzlich ab einem gewissen Alter zur Unterstützung der Leber und Galle ratsam oder sollten nur Menschen mit Beschwerden auf solche Präparate zurückgreifen?

  • Dr. Schumacher: Beim Auftreten von leichten Oberbauchbeschwerden oder Völlegefühl können Artischockenpräparate aus der Drogerie oder Apotheke, wie beispielsweise von tetesept, Linderung verschaffen. Wird die Leber beispielsweise durch Stress, eine unausgewogene Ernährung, verstärkten Alkoholkonsum, Völlerei an Festtagen oder die Einnahme von Medikamenten besonders belastet, kann es hilfreich sein, dem wichtigen Entgiftungsorgan mit der Einnahme von Mariendistel-Kapseln oder Kombi-Präparaten mit Artischocke etwas Gutes zu tun.

Treten nach den Mahlzeiten regelmäßig Oberbauchbeschwerden auf, kann möglicherweise ein Mangel an Gallenflüssigkeit dahinterstecken. Wie kommt das und was kann man dagegen tun?

  • Dr. Schumacher: Wie es dazu kommt, kann nur durch eine gründliche Untersuchung beim Arzt geklärt werden. Möglicherweise kann eine Leberfunktionsstörung oder eine Gallenwegserkrankung dahinterstecken. Treten die Beschwerden nur vorübergehend auf, kann die Einnahme eines Artischockenpräparates Linderung verschaffen. Sollte nach acht bis 14 Tagen jedoch keine Besserung eintreten, ist ein Arztbesuch dringend anzuraten.
Quelle: deutsche journalisten dienste (djd),